Thema:
- Wie wird beim Einsatz von maxon Steuerungen der Überlastschutz von Motorwicklungen sichergestellt?
- Gibt es wie bei vielen Frequenzumrichtern beim Einsatz von AC-Motoren eine einstellbare Zeitspanne für einen "Überstrom"?
Lösung:
1.) Frequenzumrichter und AC-Motoren
Bei Frequenzumrichtern ist typsicherweise eine Überlast von 110% oder 160% möglich und teilweise auch an eine Zeitspanne koppelbar. Ein solches sehr einfaches Schutzmodell wird aber kompakten (eisenlosen) Servomotoren und dynamischen Anwendungsfällen nicht gerecht:
- Einerseits sollen maxon DC/EC-Motoren (z.B. beim Beschleunigen oder Abbremsen) häufig bewusst für eine kurze Zeitspanne massiv um ein Vielfaches über der spezifizierten Nennlast betrieben werden um sehr dynamische Bewegungsvorgänge zu ermöglichen.
- Andererseits haben die kompakten DC/EC-Motoren auch eine schlechtere Wärmekapazität und interne Wärmeableitung als "dicke" AC-Motoren mit viel Eisen.
Ein simples Verfahren bei dem die Überlast an eine fixe Zeitspanne gekoppelt ist, kann diese Anforderungen nicht optimal erfüllen.
2.) Thermisches Modell und Wicklungsschutz bei DC-/EC-Motoren
Bei den maxon Steuerungen der ESCON- und aller EPOS-Baureihen kommt eine automatische sogenannte I2t-Limitierung zum Schutz der Wicklung vor Überlast zum Einsatz und um die thermische Auslastung der Wicklung (auch ohne Temperatursensor) abzuschätzen.
- Von dem I2t-Algorithmus wird in jedem Stromreglerzyklus (EPOS4: 40us) der aktuelle IST-Strom gemessen und auf dieser Basis die thermische Belastung der Wicklung dynamisch fortlaufend berechnet.
- Die automatische kritische Grenzwert-Erkennung erfolgt über den sogenannten I2t-Algorithms. Die thermische Auslastung der Motorwicklung wird dabei basierend auf dem spezifizierten und konfigurierten "Nennstrom" der Motorwicklung (bei definierter Umgebungstemperatur) und der spezifizierten und ebenfalls zu konfigurierenden "Thermischen Zeitkonstante der Wicklung" abgeschätzt. Diese beiden Werte müssen zwingend korrekt konfiguriert werden um den Schutz der Wicklung sicherzustellen!
Diese motor-bezogene Konfiguration wird üblicherweise während der Erstinbetriebnahme mit dem "Startup" Wizard (-> "Drive System / Motor") von "EPOS Studio" vorgenommen und muss im Betrieb normalerweise danach nicht mehr angepasst werden. Es ist alternativ auch eine Konfiguration mittels der Objekte "Motor data / Nominal current" (0x3001/01) und "Motor data / Thermal time constant winding" (0x3001/04) über das Applikationsprogramm einer übergeordneten Steuerung möglich. - Beim Erreichen der geschätzten thermischen Grenze der Motorwicklung wird der Motorstrom automatisch auf den konfigurierten "Nennstrom" begrenzt um einen weiteren Temperaturanstieg und Beschädigung der Motorwicklung zu verhindern. Es erfolgt also keine(!) abrupte Abschaltung des Motors sondern es ist weiterhin ein eingeschränkter Betrieb möglich jedoch mit reduziertem Drehmoment aufgrund der Motorstrom-Begrenzung.
Der Vorteil des I2t-Algorithmus ist eine korrekte thermische Beurteilung auch im zyklischen Betrieb und dass die Zeitspanne für einen beliebig hohen aktuellen Motorstrom (= "Überstrom") automatisch entsprechend der Stromhöhe angepasst wird. Dies bedeutet, dass bei einem Motorstrom nur knapp oberhalb des konfigurierten Nennstroms dieser länger zur Verfügung steht als ein Strom, der dem 2- oder 3-fachen Nennstrom entspricht. Zyklische Aspekte mit repetitiven "Überstrom"- und "Abkühl"-Phasen" werden ebenfalls korrekt durch den I2t-Algorithmus berücksichtigt.
Die theoretischen Grundlagen zu dem I2t-Verfahren finden sich im Kapitel "3.11.2 Output Current Limitation according to I2t Method" der "EPOS4 Firmware Specification.pdf". Dort ist auch eine Grafik und Berechnungsbeispiel enthalten wie lange ein "Überstrom" in Abhängigkeit vom konfigurierten Nennstrom zur Verfügung steht:
Lesebeispiele:
- Ein Motorstrom, der doppelt so hoch ist wie der konfigurierte Nennstrom wird nach 0.3 mal "Thermischen Zeitkonstanten Wicklung" auf den Nennstrom begrenzt.
- Ein Motorstrom, der viermal so hoch ist wie der konfigurierte Nennstrom wird bereits nach 0.1 mal "Thermischen Zeitkonstanten Wicklung" auf den Nennstrom begrenzt.
Tipp:
Wie dicht der Motor bereits an seiner thermischen Grenze (als Promille-Wert) betrieben wird, kann von einer übergeordneten Steuerung über das EPOS4-Objekt "Power limitation / I2t level motor" (0x3200/01) ausgelesen oder auch mit dem EPOS Studio "Data Recorder" im Betrieb ebenso wie der "Current actual value averaged" (0x30D1/01) und / oder "Velocity actual value averaged" (0x30D3/01) aufgezeichnet werden.
3.) Maximaler Motorstrom
Ein grosser Vorteil von maxon DC-/EC-Motoren ist, dass diese im Gegensatz zu einem AC-Motor oder eisenbehafteten DC-Motoren fast beliebig um ein Vielfaches der Nenndaten überlastet werden können.
- Als Daumenregel wird häufig eine Konfiguration des "Maximum output current" von dem 2-3 fachen Nennstrom gewählt oder sogar der maximale Ausgangsstrom der Endstufe. Alles ist problemlos (und gefahrlos) mit einem DC-/EC-Motor möglich solange die Grunddaten (-> "Nominal current" und "Thermal time constant winding") für die I2t-Limitierung korrekt konfiguriert sind.
- Bei der Konfiguration des "Max output current" ist zu beachten, dass das resultierende Motordrehmoment nicht die spezifizierten Daten von nachfolgenden Mechanikkomponenten (z.B. Getrieben, Spindeln, ...) übersteigt und diese beschädigen kann.
- Die Konfiguration des "Max output current" geschieht ebenfalls entweder über den EPOS Studio "Startup Wizard" (-> "Controller / Limits") oder von einem Applikationsprogramm über das EPOS4-Objekt "Output current limit" (0x3001/02).
4.) Ergänzende Hinweise
- Die Detailinformationen / Spezifikationen zu allen genannten EPOS4 Objekten finden sich in der "EPOS4 Firmware Specification.pdf".
- Auf alle EPOS-Objekte kann auch mit der EPOS Command Library (oder den LabView VIs) über die allgemeinen Funktionen "SetObject" und "GetObject" zugegriffen werden.
5.) Querverweis
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