Themen:
- Welche Betriebsart sollte bei der EPOS4 oder dem IDX verwendet werden?
- Was ist der Unterschied zwischen den "Cyclic" und "Profile" Betriebsarten?
- Warum ist eine übergeordnete "Master"-Steuerung erforderlich und was sind deren Aufgaben?
- Was bedeutet "Echtzeit"?
Antworten und technischer Hintergrund:
Alle folgenden Informationen gelten für alle EPOS4 Produktvarianten, wie auch für die spezifischen IDX Produktvarianten mit CAN oder EtherCAT. Es wird jedoch immer nur die EPOS4 genannt.
I.) EPOS4 als "Stand-alone" Steuerung -> Nein!
I.1.) EPOS4 = CiA 402 Slave
Die EPOS4 ist ein sogenannter CANopen oder EtherCAT "Motion Control Slave" basierend auf dem "CAN in Automation" Standard CiA 402 "Device profile for drives and motion control". Ein solches Systemdesign setzt immer eine übergeordnete Master-Steuerung voraus, welche die Motor-Steuerung(en) entsprechend dem CiA 402 Standard kommandiert.
I.2.) Aufgaben der Master-Steuerung
Auf der Master-Steuerung (kurz: Master) wird das übergeordnete Ablaufprogramm ausgeführt, welches Bewegungsbefehle an jede Motorsteuerung (z.B. EPOS4 oder IDX) sendet. Die übertragenen Befehle werden vom Master meist in Abhängigkeit von Sensorsignalen, den nächsten Ausführungsschritten oder Systemzuständen erzeugt. Der Master empfängt und wertet auch motorbezogene Informationen (z.B. Position, Drehzahl, Drehmoment) jeder Motorsteuerung aus.
Der Master ist für die Funktionalität einer Maschine oder Handgeräts zuständig und bildet oft gleichzeitig die Anwender- und Bedienschnittstelle. Eine Bus-Schnittstelle wie RS232, USB, CAN oder EtherCAT ist das Verbindungsglied zwischen dem Master und den Slaves (z.B. Motorsteuerungen).
- Die Wahl der Bus-Schnittstelle (USB, RS232, CAN oder EtherCAT) hängt von den Anwendungs- und Systemanforderungen, insbesondere auch betreffend der Geschwindigkeit des Datenaustausch ab.
- Die EPOS4 und der IDX kann Daten in einem schnellen Bus-Zyklus bis zu 1 ms über CAN oder EtherCAT austauschen.
- Falls ein schneller zyklischer Datenaustausch im Bereich von 1 ... 10 ms benötigt wird, spricht man im allgemeinen von einer "Echtzeit"-Anforderung.
- Bei "Echtzeit"-Anforderungen muss CAN oder EtherCAT als Bus-Schnittstelle verwendet werden, aber auch ein "Echtzeit"-fähiger Master (wie eine SPS oder maxon's MasterMACS) muss vorhanden sein. Ein einfacher Master basierend auf den Betriebssystemen Windows oder Linux ist in diesem Fall nicht ausreichend.
- "Echtzeit"-fähige Master führen oft auch die sogenannte Bahnberechnung (= "Motion profiling" oder "Trajectory generation") bei Mehrachsanwendungen aus und kommandieren die Motorsteuerung(en) mit zyklisch aktualisierten Daten (typisch im 1 oder 2 ms Takt). Diese Daten dienen als Sollwerte für die Positions-, Drehzahl- und Stromregler der Motorsteuerungen (z.B. EPOS4 oder IDX).
I.3) Zusammenfassung
- Bei der EPOS4 oder dem IDX als CiA402 Slaves wird immer eine Master-Steuerung benötigt.
- Die benötigte Rechenleistung, Funktionalität, Bus-Interface und "Echtzeit"-Fähigkeit der Master-Steuerung bzw. deren Wahl hängt immer von den konkreten Anwendungs- und Systemanforderungen ab.
II.) Wahl der Master-Steuerung und der EPOS4 Betriebsart?
II.1.) EPOS4 in einer "Profile" Betriebsart
Falls nur ein einzelner Antrieb vorhanden ist oder die Bewegungen einzelner Achsen eines Mehrachssystems weitestgehend unabhängig voneinander sind, wird die EPOS4 häufig in der Betriebsart "PPM - Profile Position Mode" (oder "PVM - Profile Velocity Mode") genutzt.
- Bei den "Profile" Betriebsarten (PPM, PVM, HM) führt die EPOS4 die sogenannte Bahnberechnung (= "Trajectory Generator"), die Positions- bzw. Drehzahlregelung und die Stromregelung selbstständig aus basierend auf den Vorgabewerten von "Profile acceleration", "Profile Deceleration", "Profile Velocity" und and "Target position" (bzw. "Target Velocity").
- Das Anwendungsprogramm der Master-Steuerung setzt diese Bewegungsparameter der EPOS4 und startet oder stoppt die Bewegung.
- Die EPOS4 führt die fortlaufende Berechnung von Zwischenpositionen des Bewegungsprofils abgestimmt auf die Bewegungsparameter in jedem internen Positionsreglertakt (d.h. alle 0.4 ms) selbstständig aus.
- Ein einfacher Master wie ein PC, Raspberry Pi oder Microcontroller (mit einem z.B. in C, C++, C# oder Python programmierten Anwendungsprogramm) ist für eine solche Aufgabe ausreichend, sofern keine "Echtzeit"-Anforderungen betreffend einem schnellen Datenaustausch oder Datenerfassung im Bereich weniger Millisekunden bei der Anwendung vorhanden sind.
Einschränkung:
Falls die Master-Steuerung (z.B. aufgrund notwendiger Datenübertragungsraten) echtzeit-fähig sein muss, erfordert dies auch, dass für die Datenübertragung sogenannten SYNC PDOs via CAN oder EtherCAT genutzt werden. Anwendungsprogramme, die auf maxon's "EPOS Command Library" basieren oder die maxon LabView VIs unterstützen keine PDO Datenaustausch und können "Echtzeit"-Anforderungen unabhängig von der verwendeten Schnittstelle nicht(!) erfüllen.
Informationen zu den Datenübertragungsraten bei Nutzung der "EPOS Command Library" finden sich in dem folgenden verlinkten Support Center Dokument:
-> EPOS Command Library: Zykluszeit beim Datenaustausch
II.2.) EPOS4 in einer "Cyclic" Betriebsart oder schnellem Datenaustausch
Bei Mehrachssystemen, die eine zwischen den Antrieben koordinierte oder sogar synchronisierte Bewegung (z.B. bei Robotergelenken) ausführen, muss ein sogenannter "Real-time" Master für die Kommandierung der Motor-Steuerungen (EPOS4, IDX) eingesetzt werden. Ein solcher "Real-time" Master übernimmt dabei die Bewegungsberechnung (= "Trajectory Generation") für alle Achsen um eine koordinierte Bewegung und gegenseitige Abhängigkeiten sicherzustellen. Der Master überträgt aktualisierte Positions-, Drehzahl- oder Strom-Sollwerte in einem schnellen, präzisen Bus-Takt (typ. 1 ms) an die Motor-Steuerungen (z.B. EPOS4, IDX). Diese zyklischen Sollwerte werden bei den "Cyclic"-Betriebsarten (CSP, CSV, CST) direkt in die internen Regler-Schleifen übernommen. Ein korrekter und präziser Bus-Zyklus ist hierbei Grundvoraussetzung für eine gute, ruhige Regelung und Motorfunktion. Gleichzeitig kann die EPOS4 dem Master verschiedene Prozess- und Antriebsinformationen (z.B. IST-Position, IST-Drehzahl, Motorstrom, ...) in jedem Bus-Zyklus zurückliefern.
- Sofern eine Bahnberechnung auf Master-Seite bei Ein- und Mehrachsanwendungen erforderlich ist, so muss ein "echtzeit-fähiger" Master zur Verfügung stehen. Typischerweise bedeutet dies den Einsatz einer SPS oder einer maxon's MACS Steuerung als übergeordnete Einheit. Die Bewegungsberechnung, Achskoordination oder Synchronisation von Antrieben, wird im Anwendungsprogramm des Masters häufig unter Nutzung einer sogenannten NC- oder Softmotion Library ausgeführt.
- Die EPOS4 (oder IDX) wird bei solchen Anwendungen typsicherweise in einer der "Cyclic" Betriebsarten genutzt, meist in "CSP - Cyclic Synchronous Position". Insbesondere bei der CSP Betriebsart ist die EPOS4 auf die Bereitstellung von aktualisierten Positionswerten durch einen "echtzeit-fähigen" Master in einem präzisen zyklischen Bus-Takt (typ. jede 1 ms) angewiesen.
II.3.) Aufgaben des Masters in Abhängigkeit von der Betriebsart
Im Anhang findet sich eine Präsentation (als Folien oder Handout), auf welcher die einzelnen Betriebsarten der EPOS4 erläutert sind und welche verteilten Aufgaben hierbei jeweils dem Master und der EPOS4 (bzw. prinzipiell allen Motor-Steuerungen, die auf dem CiA402 Standard basieren) zukommen.
III.) Bus-Taktraten
Die EPOS4 bietet bei CAN oder EtherCAT Bus-Taktraten von maximal 1 kHz. Obwohl die resultierende kürzeste Bus-Zykluszeit von 1 ms somit langsamer als die Positionsregler-Zykluszeit von 0.4 ms (entsprechend 2.5 kHz) ist, bedeutet dies in der Praxis meist keinen Nachteil. Es gilt hier die bekannte Daumenregel, dass die Zykluszeiten von untergeordneten Reglern (= EPOS4) gleich oder besser schneller sein sollten, als der Regler- oder Bus-Takt des übergeordneten Systems (= Master). Diese Bedingung ist somit bei einem master-seitigen Bus-Zyklus von 1 ms und einem EPOS4 Positionsreglertakt von 0.4 ms sehr gut erfüllt und gilt basierend auf einigen tausend EPOS4 Anwendungen auch in der Praxis als bewährt. Die EPOS4 interne Reglerstruktur folgt dieser "Daumenregel" ebenfalls und basiert auf einem unterlagerten Stromregler, der mit 25 kHz (= 0.04 ms) um den Faktor 10 schneller ist als der Positionsreglertakt (mit 2.5 kHz).
- Ein Bus-Takt von 1 kHz (= 1 ms) ist mehr als ausreichend für die meisten Anwendungen.
- Insbesondere bei Mehrachssystemen und komplexen Maschinensteuerungen sind auch echtzeit-fähige Master (z.B. SPS) in der Aufteilung ihrer Rechenleistung für die verschiedenen Aufgaben begrenzt. Dies kann dazu führen, dass der Master aktualisierte Daten nur mit Bus-Zykluszeiten von 2 ms, 4 ms oder sogar nur 10 ms an die Motorsteuerungen vorgeben kann.
- Die EPOS4 (und IDX) wird auch langsameren Bus-Zykluszeiten als 1 ms gerecht. Im CSP und CSV Mode findet in der EPOS4 eine Interpolation zwischen den masterseitig zyklisch zur Verfügung gestellten aktualisierten Zielwerten statt um intern perfekte Zwischenwerte zu jedem schnelleren Reglerzyklus zur Verfügung zu stellen. Diese Interpolation basiert auf dem konfigurierten Wert des Objekts "Interpolation time period" (0x60C2/01) und setzt auch masterseitig eine möglichst präzise Einhaltung der Zykluszeit (sogenannte SYNC-Timing) entsprechend dem EPOS4-Konfigurationswert voraus.
Zusammenfassung
Letztendlich entscheiden die Anwendungsanforderungen, ...
- ... welches Systemdesign und Reglerstruktur erforderlich ist.
- ... welche Antriebskomponenten, Regler, Steuerungen und Bus-Schnittstellen für eine optimale Lösung gewählt werden sollten.
Fall 1:
Falls das Bewegungsprofil der Antriebseinheit von der EPOS4 (oder IDX) selbstständig ausgeführt werden basierend auf konfigurierten Beschleunigungswerten, einer Drehzahlvorgabe und Zielposition (ohne eine permanente Interaktion und schnellen periodischen Datenaustausch mit einem Master), ...
- ... ist ein PC, Raspberry Pi oder auch die meisten Microcontroller als Master-Steuerung ausreichend, welche die EPOS4 konfiguriert und die Bewegung startet.
- ... wird häufig USB, RS232 oder auch CAN als Bus-Schnittstelle verwendet.
- ... kann das Anwendungsprogramm basierend auf maxon's "EPOS Command Library" (für PC oder Raspberry Pi) entwickelt werden.
Die "EPOS Command Library" bietet für die meist genutzten Antriebsfunktionen und Betriebsarten ein einfaches API (= "Application Programming Interface"). Es sind hierbei weitestgehend keine Kenntnisse oder Erfahrungen mit dem CiA 402 Standard oder Bus-Protokollen notwendig. - ... werden typischerweise die beiden Betriebsarten "PPM - Profile Position Mode" und "HM - Homing Mode" benutzt.
Fall 2:
Falls ein schneller zyklischer Datenaustausch (im 1 ... 10 ms Takt) oder die Koordination oder Synchronisation verschiedener Antriebe (z.B. in einer Maschine oder einem Roboter) notwendig ist, ...
- ... muss eine übergeordnete "echtzeit-fähige" Master-Steuerung (wie eine SPS oder maxon's MACS controllers) eingesetzt werden.
Idealerweise sollte der Hersteller der Mastersteuerung ebenfalls eine sogenannte NC- oder "Motion Control Libary" zur Kommandierung von Antrieben nach dem CiA 402 Standard zur Verfügung stellen oder zumindest eine CANopen Library. - ...muss CAN oder EtherCAT als Bus-Schnittstelle eingesetzt werden und nicht(!) USB oder RS232.
- ... wird typischerweise eine der "Cyclic" Betriebsarten (CSP, CSV, CST) genutzt, meist der "CSP - Cyclic Synchronous Position".
Der "echtzeit-fähige" Master führt hierbei die Bahnberechnung aus und aktualisiert die Zielwerte im schnellen zyklischen Takt über CAN oder EtherCAT. - ... sind Grundlagen-Kenntnisse über die Antriebskommandierung auf dem CiA 402 Standard erforderlich.
Ergänzende Anmerkung:
In allen Fällen müssen grundlegende Kenntnisse und Erfahrungen mit der Programmierung des gewählten Master-Systems vorausgesetzt werden. maxon kann über den Support keine Programmierkurse für die diversen Master-Systeme und Microcontroller und deren Entwicklungsumgebungen anbieten.
Kommentare
0 Kommentare
Zu diesem Beitrag können keine Kommentare hinterlassen werden.