Thema:
- Welche Versorgungsspannung wird für die Steuerung benötigt um einen Motor bis zu einer durch die Anwendung vorgegebenen Maximaldrehzahl zu betreiben?
Ausgangslage:
Für eine spezifische Anwendung ist ein Motor ausgewählt und die anwendungsseitigen Anforderungen betreffend der benötigten Maximaldrehzahl im Betrieb sind festgelegt. Es stellt sich nun die Frage, welche Versorgungsspannung für die Leistungsendstufe der Steuerung notwendig ist damit der Motor im Betrieb zuverlässig die geforderte Maximaldrehzahl auch unter Last und bei dynamischen Beschleunigungsvorgängen erreichen kann?
Lösung:
Die maximal erreichbare Drehzahl eines Motors ist direkt von der Spannung an den Motorwicklungen und der sogenannten "Drehzahlkonstante", die im Motordatenblatt spezifiziert wird, abhängig. Die Versorgungsspannung der Steuerung muss dabei jedoch höher sein als die Motorspannung, die auf Basis der "Drehzahlkonstante" berechnet wird.
Die sogenannte "Nennspannung" einer Motorwicklung ist kein Grenzwert. Die Motorspannung und auch die Versorgungsspannung der Steuerung muss je nach Drehzahlanforderungen eventuell höher gewählt werden als die im Motordatenblatt spezifizierte "Nennspannung". Die Steuerung reduziert das Spannungsniveau am Motor (über den sogenannten "PWM Duty Cycle") dann entsprechend den Drehzahl- und Lastanforderungen des aktuellen Arbeitspunkts.
Prinzipiell gilt es zu beachten, dass bei der geforderten Drehzahl keine spezifizierten mechanischen Grenzwerte wie zum Beispiel die "Max. Drehzahl" des Motors oder die "Max. Eingangsdrehzahl" von Getrieben oder Spindeln überschritten werden.
In der Praxis sind die folgenden Aspekte bei der Abschätzung der benötigten Versorgungsspannung einer Steuerung basierend auf den Motordrehzahl- und Drehmomentanforderungen einer Anwendung zu berücksichtigen:
Erforderliche Motorspannung
Die erforderliche Motorspannung (d.h. die "Max. Ausgangsspannung" der Steuerung) hängt von der "Drehzahlkonstante" des Motors ab, welche die Leerlaufdrehzahl pro Volt der Motorspannung spezifiziert. Bei einer gegebenenen fixen Spannung reduziert sich die Drehzahl jedoch mit zunehmendem Drehmoment entsprechend der "Kennliniensteigung" (= "Speed / torque gradient") des Motors. Welche Motorspannung benötigt wird ist durch die Arbeitspunkte des Motors in der Anwendung bestimmt. Unter Arbeitspunkten versteht man jeweils den Zusammenhang zwischen der geforderten Drehzahl und den benötigten verschiedenen Drehmomenten. Der grösste Drehzahl- und Drehmomentwert tritt dabei typischerweise am Ende einer Beschleunigungsphase auf. Die Motorspannung muss hier ausreichend sein um diesen "extremsten" Arbeitspunkt zuverlässig zu erreichen. Die hierfür notwendige minimale Motorspannung kann wie folgt berechnet werden:
Minimale (theoretisch) erforderliche Motorspannung
= ("Max. Drehzahl" + ("Max. Drehmoment" x "Kennliniensteigung")) / "Drehzahlkonstante"
- Max. Drehzahl [U/Min]:
Maximale benötigte Motordrehzahl aufgrund der Anwendungsanforderungen. - Max. Drehmoment [mNm]:
Maximal benötigtes Motordrehmoment aufgrund der Anwendungsanforderungen, z.B. um das Lastträgheitsmoment zu beschleunigen. - Kennliniensteigung [(U/Min)/mNm]: siehe Motordatenblatt
- Drehzahlkonstante [(U/Min)/V]: siehe Motordatenblatt
- Minimale erforderliche Motorspannung [V]:
Diese berechnete Motorspannung ist der Minimalwert und reicht nur aus um bei dem extremsten Arbeitspunkt der Anwendung die Drehzahl zu erreichen jedoch ohne Reserven zu bieten.
Erforderliche Motorspannung in der Praxis:
Die effektive Motorspannung sollte in der Regel um 20% höher als der theoretisch berechnete Wert gewählt werden um den extremsten Arbeitspunkt im Betrieb auch unter Berücksichtigung der folgenden Faktoren zuverlässig zu erreichen:
- Toleranz von Motordaten
Die im Motordatenblatt spezifizierten Daten können typisch eine Toleranz von +/-10% aufweisen. - Reglerreserve
Eine Regelung sollte nicht bis zu den physikalischen / elektrischen Grenzwerten betrieben werden, sondern eine sogenannte "Reglerreserve" besitzen um auch noch bei Abweichungen vom theoretisch erwarteten Extremfall reagieren zu können.
Versorgungsspannung der Steuerung
Im Datenblatt und der "Hardware Reference" der Steuerung ist die sogenannte "Maximale Ausgangsspannung" (bzw. "Max. output voltage" oder "Max. PWM duty cycle") als Prozentwert der Versorgungsspannung der Steuerung spezifiziert. Dieser Wert begrenzt die maximal an den Motoranschlüssen zur Verfügung stehende Spannung.
- EPOS4:
Bei der EPOS4 ist die "Max. Ausgangsspannung" mit 90% spezifiziert, d.h. die an den Motorwicklungen anliegende Spannung ist maximal 90% der Versorgungsspannung der Steuerung.
Beispiel:
EPOS4: Versorgungsspannung = 24V
=> max. ca. 21.6 V Motorspannung - ESCON:
Bei der ESCON ist die "Max. Ausgangsspannung" von der konkreten ESCON-Produktvariante abhängig und liegt bei 95% bis 98%, d.h. die an den Motorwicklungen anliegende Spannung ist maximal 95 ... 98% der Versorgungsspannung der Steuerung.
Beispiel:
ESCON 50/5: Versorgungsspannung = 24V
=> max. ca. 23.5 V Motorspannung - Sonstiges: Minimalspannung
Im Datenblatt und der "Hardware Reference" der Steuerung ist die minimale Versorgungsspannung spezifiziert. Es muss sichergestellt werden, dass im Betrieb die Spannungsquelle diesen minimalen Spannungswert nicht unterschreitet, z.B. bei teilentladenem Akku oder Überlastzuständen.
- Sonstiges: Batteriespannung im geladenen Zustand
Bei Systemen mit einer Batterie als Spannungsquelle ist deren maximale Ladeschlussspannung (d.h. der voll geladene Zustand) zu beachten. Die Ladeschlussspannung darf weder die in der "Hardware Reference" der Steuerung spezifizierte "Absolute supply voltage" noch die bei einem eventuell vorhandenen Brems-Chopper (z.B. maxon "DSR 70/30") konfigurierte Spannungsgrenze überschreiten.
Praxis?
- Schritt 1: Min. erforderliche Motorspannung
Die oben genannte Formel ist der Ausgangspunkt jeder Berechnung:
Min. (theoretisch) erforderliche Motorspannung
= ("Max. Drehzahl" + ("Max. Drehmoment" x "Kennliniensteigung")) / "Drehzahlkonstante"
Ein Diskussionspunkt ist oft das "Max. Drehmoment" während der Beschleunigung. Obwohl dieses theoretisch auf Basis von Reibungen, Trägheitsmomenten und der geforderten Beschleunigung berechnet werden könnte, sind nicht alle notwendigen Grössen bei einer Anlagenauslegung bereits bekannt oder noch variabel. Als Daumenregel wird deshalb häufig der 1- bis 3-fache Wert des spezifizierten Nennmoments des Motors zugrunde gelegt. - Schritt 2: Toleranzen und Reglerreserve
Es wird für als "Toleranz- und Reglerreserve" ein Aufschlag von 20% berücksichtigt. - Schritt 3: Versorgungsspannung der Steuerung
Die benötigte Versorgungsspannung der Steuerung muss unter Berücksichtigung des spezifizierten Faktors der "Max. Ausgangsspannung" beerchnet werden.
- Anmerkung:
Netzteile mit 24V und 48V Ausgangsspannung sind Industrie-Standard und weit verbreitet. Die eigentliche Frage betreffend der Versorgungsspannung der Steuerung ist somit oft sehr "digital", ob eine Spannung von 24V ausreichend ist oder andernfalls 48V benötigt wird. Die gewählte Steuerung muss einen entsprechenden Versorgungsspannungsbereich aufweisen und den benötigten Motorstrom zur Verfügung stellen können.
Beispiele:
Beispiel 1: EC-i 40
- Motor-Datenblatt (Art.Nr.: 496660):
-> Drehzahlkonstante: 255 (U/Min)/V
-> Kennliniensteigung: 1.6 (U/Min)/mNm - Steuerung: "EPOS4 compact 50/8 CAN" (Art.Nr.: 520885)
-> Max. Ausgangsspannung: 0.9 * Versorgungsspannung - "Extremster" Arbeitspunkt der Anwendung:
-> Max. Drehzahl: 6000 U/Min @ 400 mNm (während der Beschleunigung)
Annahme: Kurzfristige Nutzung des 2-fachen Motor-Nennmoments - Minimale (theoretisch) erforderliche Motorspannung:
= (6000U/Min + (400mNm * 1.6(U/Min)/mNm)) / 255(U/Min)/V
=> Theoretisch minimal erforderliche Motorspannung = 26 V - Berücksichtigung von "Toleranzen und Reglerreserve":
=> Notwendige Motorspannung = 26V * 1.2 = 31 V - Notwendige Versorgungsspannung der Steuerung:
=> EPOS4 Versorgungsspannung = 31V / 0.9 = ca. 35 V - Auswahl des Netzteils:
Typischerweise wird ein 48V Netzteil gewählt.
Beispiel 2: DCX 35 L
- Motor-Datenblatt (DCX 35L, 12V Wicklung):
-> Drehzahlkonstante: 699 (U/Min)/V
-> Kennliniensteigung: 4.04 (U/Min)/mNm - Steuerung: "ESCON Module 50/8" (Art.Nr.: 532872)
-> Max. Ausgangsspannung: 0.98 * Versorgungsspannung - "Extremster" Arbeitspunkt der Anwendung:
-> Max. Drehzahl: 8000 U/Min @ 200 mNm (während der Beschleunigung)
Annahme: Die Last besitzt ein hohes Trägheitsmoment, das beschleunigt werden muss. - Minimale (theoretisch) erforderliche Motorspannung:
= (8000U/Min + (200mNm * 4.04(U/Min)/mNm)) / 699(U/Min)/V
=> Theoretisch minimal erforderliche Motorspannung = 12.6 V - Berücksichtigung von "Toleranzen und Reglerreserve":
Notwendige Motorspannung = 12.6V * 1.2 = 15 V - Notwendige Versorgungsspannung der Steuerung:
ESCON Versorgungsspannung = 15V / 0.98 = ca. 15.5 V - Auswahl des Netzteils:
Typischerweise wird ein 24V Netzteil gewählt.
Querverweise auf verwandte Themen:
- Abhängigkeit der Versorgungsspannung der Steuerung von der Nennspannung des Motors?
- Bedeutung der maxon Motor-Spezifikationsdaten
- Bedeutung der maxon Getriebe-Spezifikationsdaten
- Kapitel "6.3 Motorkonstanten und -kennlinien" und "6.5 Motorauswahl" der maxon Formelsammlung -> Formelsammlung
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