Thema:
- Was kann die Ursache sein für sporadische "Überspannung / Overvoltage" Meldungen?
- Was kann eine Ursache für Fehler beim Reglerparameter-Tuning sein?
- Was kann die Ursache bei Fehlern oder schlechter Regelung während dem Bremsen des Antriebs sein?
- Welche Massnahmen sind bei Motoren notwendig, die teilweise im "Generatorbetrieb" betrieben werden?
Ausgangslage:
Ein Motor muss nicht immer nur Energie verbrauchen, sondern kann auch Energie erzeugen falls eine Last abgebremst werden muss. Während dem Abbremsvorgang tritt eine Rückspeisung von Energie von dem Motor (der sich während dem Bremsvorgang im generatorischen Betriebszustand befindet) in die Leistungsendstufe der Motorsteuerung auf. Die Motorsteuerung leitet diese Energie hauptsächlich an die Stromversorgung (z.B. Netzteil, Batterie oder Akku) weiter.
Kurze Energierückspeisungen können typischerweise von den internen Pufferkondensatoren der Motorsteuerung und der Stromversorgung aufgenommen werden. Bei einer länger dauernden oder starken Energierückspeisung reicht die Pufferung meist nicht aus und es tritt eine Erhöhung der Versorgungsspannung auf. Dies kann zu einer wiederholten kurzzeitigen Abschaltung des Netzteils (im Bereich von einigen 100 Millisekunden) als Schutzfunktion oder zu einer "Überspannung / Overvoltage" Meldung der Motorsteuerung führen, welche die Leistungsendstufe abschaltet und eine geregelter Abbremsvorgang somit nicht mehr möglich ist.
Kritische Anwendungen und Systeme betreffend Energierückspeisung:
- Kran- oder Aufzugsantriebe
bei Abwärtsbewegung der Last. - Zentrifugen
aufgrund der grossen Trägheitsmomente - Direktantriebe mit grossem Trägheitsmoment (= grossem rotativem Durchmesser) der Last,
z.B. bei einer scheibenförmigen oder zylindrischen Last - Mechanische Systeme mit wenig Reibung und / oder externen Kräften in eine Richtung,
z.B. Vertikalachsen, federbehaftete Antriebe, hydraulische oder komprimierte Last, ... - Systeme mit einem Kompakt- oder Steckernetzteil als Stromversorgung,
z.B. Netzteile, die normalerweise für Heim- und Böroanwendungen eingesetzt werden.
Typische Anzeichen einer zu grossen Energierückspeisung:
- Fehlerzustände beim Reglerparameter-Tuning.
- Kurze Abschaltungen des Netzteils (im Bereich von 100 Millisekunden),
die nur mit einem Oszilloskop zu beobachten sind. - "Überspannung / Overvoltage" Fehlermeldung der Motorsteuerung,
insbesondere beim Abbremsen des Antriebs oder vertikalen Abwärtsbewegungen. - Instabile Regelung oder Fehlermeldungen / Probleme
während dem Bremsen eines Antriebs oder vertikalen Abwärtsbewegungen.
Beispiel:
Spannungsanstieg von 24V auf 34V (rote Kurve)
während eines Bremsvorgangs (gelbe und blaue Kurve):
Lösung:
Es gibt verschiedene Massnahmen, die einzeln oder kombiniert die Problematik einer hohen Energierückspeisung lösen können, indem die Energie gepuffert oder von anderen Baugruppen verbraucht wird.
1.) Wahl des Netzteils
Verwenden Sie keine Kompakt- oder Steckernetzteil, die für den Heim- oder Bürobereich (z.B. Notebook-Netzteile) entwickelt wurden. Diese Netzteile sind bei Energierückspeisung, wie sie bei jeder Art von Antriebssystem (auch bei sehr leistungschwachen Antrieben) während der Bremsphase immer auftritt, nicht(!!) geeignet.
Die richtige Wahl eines Industrienetzteils mit ausreichend grossen Pufferkondensatoren kann bereits oft Probleme und Fehlermeldungen beheben, die durch eine Energierückspeisung verursacht werden.
2.) Zusätzliche Pufferkondensatoren
Ein externer Pufferkondensator zwischen der Plus/Minus Leitung der Versorgungsspannung möglichst dicht am Motorcontroller kann die Energierückspeisung bis zu einem gewissen Mass puffern.
Als Empfehlung gilt ein Kondensator mit mindestens 47'000 µF / 70V. Es muss jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass die spezifizierte Kondensator-Spannung der maximalen Versorgungsspannung plus einer Reserve (von wenigstens 20-50%) entspricht, z.B. Einsatz eines mindestens 47‘000 µF / 70V Kondensator bei 48V Versorgungsspannung.
3.) Mix aus Verbraucher und Energierückspeisung
Idealerweise sollten aus dem identischen Netzteil mehrere Geräte versorgt werden, z.B. Antriebe, die abbremsen während andere Geräte (oder Antriebe) die zurückgespeiste Energie verbrauchen können.
Es ist nicht erforderlich verschiedene Netzteile zu verwenden, die jeweils exklusiv einem einzelnen Antriebe zugeordnet sind. Dies ist sogar eher von Nachteil. Ein Mix aus Antrieben in verschiedenen Bewegungszuständen (d.h. nicht alle Antriebe an einem Netzteil bremsen zur selben Zeit ab) angeschlossen an einem geminsamen leistungsstarken Netzteil führt zu einem guten Energieausgleich zwischen "Verbrauchern" und "Generatoren" (welche Energie zurückspeisen). Letztendlich führt dies zu einer guten Energieeffizienz und spart die Kosten für zusätzliche Massnahmen bei Energierückspeisung.
4.) Konfiguration der Bremsrampe
a) Beschleunigungsrampe
Falls die Steilheit von Bremsrampen ohne Nachteile bei der Anwendung deutlich reduziert werden kann, so kann dies den Spannungsanstieg und eine "Überspannung" eventuell bereits ohne weitere Massnahmen vermeiden.
b) Mehrere bremsende Antriebe
Falls bei einer Anwendung mehrere Antriebe exakt gleichzeitig mit dem Bremsvorgang starten, so kann kurzfristig eine sehr grosse erste Spitze an kumulierter Energierückspeisung auftreten. Falls der Start des Bremsvorgangs zwischen den einzelnen Antrieben zeitlich leicht gestaffelt werden kann, so wird die Gesamtenergie aller Antriebe gleichmässiger über eine längere Zeitspanne verteilt und die kumulierte hohe Energiespitze zu Beginn reduziert.
5.) Versorgungsspannung
Bei "Überspannung / Overvoltage" Meldungen aufgrund der Energie-Rückspeisung sollte ein Differenz von mindestens 10 Volt zwischen der Versorgungsspannung und der spezifizierten Maximalspannung des Motorcontrollers angestrebt werden.
Falls möglich sollte die Versorgungsspannung reduziert und auf die maximale benötige Drehzahl abgestimmt sein. Es kann hier die folgende Daumenregel zugrunde gelegt werden:
Versorgungsspannung = (Geforderte Maximal-Drehzahl / Drehzahlkonstante des Motors) x 1.2
Eine andere Möglichkeit besteht darin einen Motorcontroller mit einer höher spezifizierten Maximalspannung (z.B. 70V statt 50V) und so den Bereich zwischen der effektiv vorhandenen Vresorgungsspannung (z.B. 50V) und dem Auslösen der "Überspannung / Overvoltage" Meldung zu vergrössern.
6.) Bremschopper
Falls keine der genannten Massnahmen auftretende Probleme mit der Energierückspeisung vollständig lösen kann oder eine Energierückspeisung über eine längere Zeitspanne auftreten kann, muss ein sogenannter Bremschopper (z.B. "maxon DSR 50/5", #309687 oder "maxon DSR 70/30", #235811) als Verbraucher für die Rückspeiseenergie installiert werden.
Je nach Höhe der Energierückspeisung kann ein Bremschopper gemeinsam für mehrere Antriebe eingesetzt werden. Der Bremschopper muss in der Versorgungsleitung zwischen dem Netzteil und den Motorsteuerungen installiert werden.
Beratung zu Ihrem konkreten Anwendungsfall?
Falls Sie eine detailliertere Beratung in bezug auf Ihren konkreten Anwendungsfall wünschen, so eröffnen Sie bitte eine Anfrage und stellen Sie uns soviel Informationen wie möglich zu Ihrer Anwendung, Ihrem System, den angetriebenen Massen und den Bewegungsprofilen zur Verfügung. Eine Checkliste zu wichtigen Informationen finden Sie im Dokument "Welche Informationen werden beim Support benötigt".
Deutsche und englische PDFs:
In den beiden PDFs finden sich ebenfalls die obigen Informationen inklusive teilweise etwas weiterführender Erläuterungen:
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